Beschreibung
Als 2017 Ilgen-Nurs Solo-EP „No Emotions“ erschien, war die junge Songwriterin schnell in aller Munde. Ihr damaliger Slacker-Sound wurde als die neue Coolness im deutschen Indie-Pop gefeiert, es folgte eine Europa-Tour und Supports für Bloc Partys Kele Okereke und Tocotronic. Für Ilgen wurde ein Traum wahr, den sie von Kindheitstagen an geträumt hatte: Mit ihren eigenen Songs auf die Bühne! Es ging ziemlich schnell damals, und bei aller Euphorie zog diese Zeit so rauschhaft an der 1996 bei Stuttgart geborenen Musikerin vorbei, dass sie sich manchmal vergewissern musste, ob sie das alles nicht vielleicht doch bloß träumte. Sie gewann Musikpreise, wurde zu Features eingeladen, ihre Songs wurden für erfolgreiche Netflix-Produktionen genutzt. Ilgen brach zwei Studiengänge ab, ging von Hamburg nach Berlin. 2019 kam dann ihr Debut „Power Nap“ raus, das sie gleich auf dem eigens dafür gegründeten gleichnamigen Label selbst veröffentlichte. Die Kritik reagierte begeistert.
Als die Corona-Pandemie über uns einbrach, war Ilgen gerade beim SXSW in Austin, Texas. Das Festival wurde abgesagt. Ilgen blieb. Und verliebte sich in L.A., wo sie bald im Laurel Canyon Unterkunft in einem Künstlerhaus fand, Menschen kennenlernte, mit denen sie sich identifizieren konnte. Zeit fand, sich zu sortieren. Vielleicht auch, um sich neu zu erfinden. Oder: zu finden! In Los Angeles war sie umgeben von einem Sound, der sie seit Teenagerzeiten begleitet hatte und den sie nun, an seinen Entstehungsorten, noch einmal viel intensiver in sich aufsog, spürte, verinnerlichte: Joni Mitchell, Karen Dalton, Neil Young, Carol King, Rodriguez. Deutschland spielte in dieser Zeit musikalisch keine Rolle für sie. So erklärt sich vielleicht auch, warum Ilgen-Nurs neues, fulminantes Album „It’s All Happening“ viel mehr nach L.A. klingt, als nach Deutschland. Weil sie dort die glücklichste Zeit ihres Lebens verbracht hat, wie sie rückblickend sagt. Für Ilgen stand fest: Sie musste wieder dorthin!
Nach einigen organisatorischen Hürden schließlich konnte Ilgen 2022 ihr Stipendium an der Villa Aurora wahrnehmen und verfiel immer mehr jener glänzenden Stadt der gelebten Widersprüche, die sie so sehr inspirierte. Drei Monate war sie dort, kaufte einen weißen 1988er Mercedes Benz, fuhr unentwegt durch die Gegend, hörte Musik, schrieb ihre Erlebnisse und Gefühle in ihr Tagebuch. Als sie zurückkam stand fest: Das neue Album, das in ihrem Kopf langsam Form annahm, würde in L.A. entstehen müssen.
2022 dann also: L.A., chapter three. Mit einer Handvoll Songs im Gepäck ging Ilgen schließlich mit ihrem Wahlproduzenten Jon Joseph in dessen Studio in San Pedro, gelegen am südlichen Ende der wunderschönen Halbinsel Palos Verdes und im Osten angrenzend an den Hafen des leuchtenden Los Angeles. Maximilian Barth, ihr neuer Gitarrist, flog über den großen Teich, Sessionmusiker wurden eingeladen. „It’s All Happening“ nun, das Resultat dieser Zeit, zeigt eine neue Ilgen-Nur, die herausgefunden hat, wer sie sie sein will: wer sie ist. Es klingt warm und melancholisch, gibt ihrem dunklen Timbre genau die Fläche, die es verlangt. Und zeugt von gewonnener, hörbarer Reife. Selbstbewusst geben sich die Songs, die im Vergleich zu ihrem Debüt an Tiefe und Dichte gewonnen haben, musikalischer geworden sind. So öffnen die vielschichtigen Kompositionen, die die Zugänglichkeit ihrer Musik niemals verstellen, zehn ereignisreiche Klangwelten. Auch die Produktion fährt einen anderen Ansatz, folgt diesem neuen Wesen in Ilgens Songwriting: Klaviere tauchen auf, Synthflächen verdichten den Sound – und liefern konstant genau jene Fläche, die die nach wie vor an Coolness kaum zu übertreffenden Gitarren in den Vordergrund stellen. Ilgens Stimme, ihr noch um einige Facetten gewachsener Gesang, finden so zum perfekten Gewand, dreamy, seidenweich und von dunkler Klangfarbe. Die gewonnene Ruhe, ihr starkes Songwriting und die feinsinnige, dichte Produktion, lassen „It’s All Happening“ zu einem Gleitflug über das nächtliche L.A. werden: dort unten die Lichter, oben der Mond – und dazwischen die Freiheit. Das alles passiert auf diesem wunderbaren Album! Der Titel kam zu ihr, als die Platte fertig war, und sie begriff, was ihr Umfeld ihr seit Beginn der Produktion mit leuchtenden Augen immer wieder sagte: Ja, das alles passiert wirklich!
Bewertungen
Es gibt noch keine Bewertungen.